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In einem Kaffeehaus unweit der New Yorker Metropolitan Opera sitzt uns Kristīne Opolais gegenüber. Zu Beginn des Gesprächs wirkt sie erschöpft von der Vorstellung der „Madama Butterfly” am Abend zuvor, die sie ausnahmsweise in nicht perfekter stimmlicher Verfassung singen musste. Doch die letttische Sopranistin und Ehefrau von Dirigent Andris Nelsons blüht im Interview schnell wieder auf, blickt mit ihren großen schönen Augen neugierig und Anteil nehmend auf das Leben, schaut kritisch auf den Opernbetrieb und hat dennoch Hoffnung, dass der Gesang mit seiner Verbindung zur Seele die Menschen reich beschenken kann, dann jedenfalls, wenn Künstler als beherzte Überzeugungstäter am Werk sind, so wie die von ihr verehrte Maria Callas.

An die MET pilgern Opernfreunde zuallererst wegen der Sängerstars, nicht wegen der Regisseure …

Der Fokus auf den Gesang ist eine fantastische Sache an der Metropolitan Opera. Ich hoffe, sie wird sich niemals ändern! Im riesigen Rest der Opernwelt fragt aber jeder nur nach einem: dem Regisseur, der wahren Königin der Nacht des Opernbetriebs. Manche von denen sind gut, andere sind verrückt. Ich halte es für falsch, zu viel Geld für sie auszugeben, es wäre aus meiner Sicht besser, es in Krankenhäuser zu investieren.

Wie sollen sich junge Sänger behaupten, wenn sie die Ideen des Regisseurs nicht umsetzen wollen?

Die besten Sängerdarsteller sind heute meist in einem höheren Alter. Die jungen Sänger sind zwar technisch alle fantastisch. Sie wissen, wie man singt. Aber sie sind innerlich leer. Niemand bringt ihnen bei, wie man sich eine Figur wirklich erschließen kann. So treffen dann also verrückte Regisseure auf Sänger, die nicht spielen können. Das Ergebnis kann eigentlich nur lächerlich sein. Junge Sänger können es ja nicht wagen, dem Regisseur „nein“ zu sagen. Ich finde, dieses Opernunwesen muss zusammenbrechen, damit wir es danach wieder grundlegend aufbauen können. Wir brauchen wieder Sänger, die der Dreiklang aus Persönlichkeit, Stimme und Darsteller sind. Und dann brauchen wir wirklich große Regisseure, die wissen, was sie tun, und uns nicht das Stück verderben. Menschen in Jeans sehen wir jeden Tag auf der Straße. Das ist nicht Oper. Die Menschen kommen ins Theater, um etwas Besonders zu erleben, einen Blick in eine andere Welt zu tun. Sie wollen einen Traum sehen.

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